Rainer Krüger

Nebelkerze Cannabisfreigabe

Nicht nur aus Sicht der Rechtssicherheit gibt es aktuell mehr Fragen als Antworten zum Weg der Legalisierung von Freizeitcannabis.


|transkript sprach mit Rainer Krüger, Managing Director und Mitgründer European Cannabis Association


transkript. Was ist bei der im Koalitionsvertrag auf Seite 82 ausführlich beschriebenen Freigabe von Freizeitcannabis aus Sicht der European Cannabis Association von der Bundesregierung noch zu klären?
Krüger. Aus Sicht der ECA gibt es zu jedem Punkt die Frage, wie genau und in welcher Form dieser Koalitionsvertrag umgesetzt werden soll. Aus meiner Betrachtung lassen sich die durch die Politik zu klärenden Fragen in drei Kategorien einordnen: Produkt und Herstellungsanforderungen sowie die Regelung des Konsums.

transkript. Was ist denn bei Produktprofil und Herstellung nicht geregelt?
Krüger. Es gibt schlichtweg nicht einmal eine Andeutung von Produktvorgaben für Freizeitcannabis. Konkret: Weder gibt es Spezifikationen, um das Pflanzenprodukt auf Basis der unterschiedlichen Inhaltsstoffe und Konzentrationen zu kategorisieren, noch Qualitätsgrenzwerte oder toxikologische und mikrobiologische Belastungsgrenzen, die bei der Herstellung zu beachten wären. Produktvorgaben dienen potentiellen Herstellern als erste Orientierung, wie umfangreich sie das Produkt fertigen, überwachen und kontrollieren müssten. Eines der weiteren Risiken, die wir als ECA sehen, ist die Sorten- bzw. Genetik-Trennung zwischen Medizinalcannabis und Freizeitcannabis. Hier muss aus Sicht der ECA eine klare Regelung getroffen werden, um die Abgrenzung der Produkte schon bei den eingesetzten Genetiken sicherzustellen. Im Bereich des Medizinalcannabis gibt es zum Teil Produktvorgaben des Endproduktes, wie die Monografien für Medizinalcannabis im Deutschen Arznei- buch. Es wäre sinnvoll, wenn man sich an diesen Produktvorgaben orientieren und daraus klare Vorgaben für den Hersteller ableiten würde.

transkript. Stickwort Herstellung …
Krüger. Hinsichtlich der Herstellung ist zunächst einmal zu regeln: Wer darf Rauchware herstellen? Mit welchen Lizenzen und unter welchen Anforderungen? Wie wird die Herstellung kontrolliert und wie wird sichergestellt, dass kritische Inhaltsstoffe, wie zum Beispiel Tetrahydrocannabinol inner- halb der erlaubten Grenzwerte liegen. Mit welchen Prozessvorgaben werden Anbau, Ernte und Transport geregelt und überwacht? Allein das Thema Sicherheit sollte hier genauer betrachtet werden. Auf Basis der Vorgaben, die die deutschen Hersteller für Medizinalcannabis umsetzen mussten, um THC-haltige Pflanzenprodukte herzu- stellen, verwundert es die ECA umso mehr, dass man nun mit Diskussionen beginnt, wie Freizeitcannabis auf dem Feld hergestellt werden soll!

transkript. Wie sieht es mit der Regelung des Konsums aus?
Krüger. Auch hier sind essentielle Fragen bisher unbeantwortet, etwa wer darf
die Droge von welchem Alter an erwerben und in welchen Mengen? Bereits nach dem Erreichen der Volljährigkeit oder – wie viele Experten aus dem Be- reich der Medizin fordern – erst vom 21. Lebensjahr an? Welche Mengen dürfen in welchen Zeitintervallen erworben und wo konsumiert werden? Ab welchem Grenzwert gilt man als „high“ und von welchem an als „nicht high“? Wie kann sichergestellt werden, dass die Ware eindeutig die Inhaltsstoffe und Mengen enthält wie angegeben?

transkript. Gibt es hierzu bereits Ideen von Seiten der ECA?
Krüger. Das wichtigste aus meiner Sicht wäre, eine einheitliche Regelung für die Bundesrepublik zu finden, also keine Sonderlösungen in deutschen Großstädten. Es muss ein Expertenkreis gebildet werden aus Wissenschaftlern, Ärzten und Fachleuten, die in der Lage sind, verlässlich Prozesse zu entwickeln. Auch wenn die Verlockung der potentiellen Steuereinnahmen dem einen oder anderen wichtiger erscheinen mag, wir müssen erst einmal diese kritischen Punkte klären.

transkript. Herr Krüger, welchen Zeithorizont sehen Sie für die Legalisierung?
Krüger. Das hängt ganz klar von den weiteren Entscheidungen der Politik ab. Es gibt in Deutschland zahlreiche gute Fachleute, die in diesem Umfeld weitreichende Erfahrungen und Kompetenzen besitzen und sicher als Wegbereiter zur Verfügung stehen. Mit diesen sollte ein realistisches Ziel erarbeitet und ausgegeben werden. Das hätte den Vorteil, dass Unternehmen Planungssicherheit bekämen und zum anderen würden die Spekulationen damit im Keim erstickt.


Published: |transkript 2.2022